Politik und Verwaltung im neoliberalen Staat des NPM

IKW-Schriftenreihe Nr. 111 – Linz, 2003

Inhalt des Bandes 111

 

Unter dem Titel "Verwaltung und Politik im New Public Management" fand am 26. Februar 2001 auf Einladung der Österreichischen Beamtenversicherung und des Verlages Österreich eine Podiumsdiskussion statt. Nach Begrüßung durch Generaldirektor Dr. Johann Hauf hielt Min.Rat Dr. Ilan Fellmann das Einführungsreferat über die Merkmale des New Public Managements mit durchaus kritischen Anmerkungen zu seinen Elementen und personellen Auswirkungen.

Die anschließende Podiumsdiskussion stand unter der Leitung von Univ.-Doz. Dr. Friedrich Klug, der betonte, dass das NPM nichts absolut Neues sei, sondern die "Kunst der Verwaltungsführung" unter Beachtung der Wohlfahrtsaspekte und der vielen Konfliktpotentiale.

In Vertretung von Bundesminister Mag. Herbert Haupt wies Frau Abg.z.NR Mag. Beate Hartinger auf die Bedeutung der Internen Revision und des Controlling hin. Als Schlüsselfaktoren bezeichnete sie die Mitarbeiter-Motivation, den Führungsstil und das Betriebsklima sowie klare Leistungsvereinbarungen.

Dr. Wilhelm Gloss, Vorsitzender-Stv. der GÖD, vertrat die Ansicht, dass NPM sehr wohl etwas Neues sei, aber zu exzessiv betrieben werde, wie das "Negativ-Beispiel Neuseeland" zeige. Wichtig sei eine Aufgaben- und Bundesstaatsreform, die leider nicht vorankomme.

Dr. Thomas Herzog von der WU Wien ging auf das Problem der Überregulierung mit der entsprechenden Aufgabenflut ein und bemängelte die Undurchlässigkeit zwischen Privatwirtschaft und öffentlichen Dienst.

Das Thema erschien derart wichtig, dass der Entschluss gefasst wurde, im Rahmen der IKW-Schriftenreihe nicht nur die Vorträge und Diskussionsbeiträge zu veröffentlichen, sondern einige vertiefende Artikel zu diesem zentralen Thema, zumal man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren kann, dass die Welt wieder einmal an einer "Zeitenwende" steht.

Der weltweite Trend zur Deregulierung, Wettbewerbs- und Gewinnorientierung, Ausgliederung, Outsourcing, Liberalisierung und letztlich: Privatisierung scheint unaufhaltsam und irreversibel. Mahnende Stimmen, dass auf den "Schlüsselfaktor Mensch", auf die Motivation, die Konstitution von SINN und die arteigenen Besonderheiten des öffentlichen Dienstes Rücksicht zu nehmen ist, werden im Reform-Übereifer kaum wahrgenommen. Der grundlegende Denkfehler liegt einfach darin, dass man zwar erkennt, dass die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Sektors permanent verbesserungsfähig sind, aber nicht durch den unreflektierten Einsatz privatwirtschaftlicher Methoden, die ein ganz anderes Zielsystem aufweisen.

Gewinne und Wettbewerb können nur dort entstehen, wo ein Markt mit Marktpreisen vorhanden ist. Im öffentlichen Sektor ist dies oft nicht der Fall. Die Schaffung "künstlicher Märkte" bzw. die Ablöse öffentlicher Monopole und Oligopole durch private Marktformen löst das Effizienzproblem öffentlicher Leistungserstellung nur scheinbar und temporär bzw. schafft neue Problemlagen, wie Vernachlässigung der Infrastruktur und mangelnde Rücksichtnahme auf soziale und umweltpolitische Belange.

Ob der Wandel zum "gewährleistenden Staat" und der "Ausschreibungswettbewerb" im öffentlichen Versorgungs-, Entsorgungs- und Infrastrukturbereich, das Wettbewerb suggerierende "Benchmarking" und das überbordende, einseitig zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers gehende "public procurement" mit "einklagbaren Rechten" zielführend sind, mag bezweifelt werden, zumal das "Gewährleisten" hohe Transaktionskosten verursacht.

Der globale Trend zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen nicht nur auf dem Gebiet der "Sektoren", der Infrastruktur, des öffentlichen Verkehrs, der Ver- und Entsorgung, sondern auch im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich, birgt die Gefahr totaler "Vermarktlichung" und Gewinnorientierung mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, Umwelt, Beschäftigung und den sozialen Frieden in sich. Wir benötigen eine bedarfsadäquate Synthese zwischen privatem und öffentlichen Sektor.

Der Slogan "Privatisierung ist in jedem Fall besser" hat eine gefährliche Dimension:

Wegen des Prinzips der Gleichbehandlung bzw. Nicht-Diskriminierung wird der Staat mit seinen öffentlichen Unternehmen dem Wettbewerb unterworfen und dann von den internationalen Konzernen aus dem Markt verdrängt. Die soziale, kulturelle, beschäftigungs-, bildungs-, gesundheits- und umweltpolitische Dimension des Staates wird durch den Markt ersetzt, das demokratisch legitimierte, öffentliche Monopol durch ein privates Monopol oder Oligopol mit dem Ziel der Gewinnmaximierung und Erhöhung des "share holder value".

Die öffentlichen Dienstleistungen werden der öffentlichen Kontrolle entzogen und dem Markt unterworfen. Der Egoismus (privates Gewinnstreben) dominiert über den Altruismus (gemeinwohlorientiertes öffentliches Interesse).

Der "Amerikanisierung", Ökonomisierung und Entdemokratisierung sowie dem Werteverfall und der Ausplünderung des Menschen und der Natur muss Einhalt geboten werden!

Jede einseitige Ausrichtung (z.B. nur "Staat", nur "Privat") ist ebenso abzulehnen wie eine rein privatwirtschaftlich dominierte Beratung und Entscheidung ohne Mitwirkung der direkt Betroffenen und des in reichem Maße vorhandenen behördeneigenen Sachverstands.

Besinnen wir uns doch in gut österreichischer Tradition des "goldenen Mittelweges"!

Der aktuelle "Mainstream" geht allerdings in eine andere Richtung, dass nämlich der Staat Gefahr läuft, zu einem bloßen "Gewährleister" und zu einem den bieterfreundlichen Fesseln des Vergaberegulativs unterworfenen „Ausschreiber" degradiert zu werden. Der Staat verlöre im Laufe der Zeit seine inhaltliche Kompetenz, sodass ein irreversibler Prozess eingeleitet würde.

Um das ambivalente Verhältnis von Politik und Verwaltung im neoliberalen Staat des NPM vertiefend auszuleuchten, haben folgende Autoren den Sammelband mit ihren Beiträgen komplettiert:

ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Bartel, Universität Linz:
"Ökonomischer Liberalismus, Kommunitarismus und öffentliche Verwaltung"
Je nach ökonomischer Theorie gibt es unterschiedliche Auffassungen über den Stellenwert des öffentlichen Sektors. Zwischen totaler Freiheit des Marktes und öffentlichen Interessen besteht ein Widerspruch, der die Frage der Dimensionierung des Staates zwischen den Polen „Marktversagen" und „Staatsversagen" aufwirft. Die Marktöffnung für Private führt zur Ablösung eines staatlichen Monopols durch eine private Marktdominanz und zur Notwendigkeit der Installierung eines transaktionskostenträchtigen, staatlichen Regulators.

Min.Rat Dr. Ilan Fellmann, BMÖLS:
"Beamte, Politik und Kontrolle – eine wechselseitige Vernetzung"
In diesem Artikel wird das "Neuseelanddilemma", die Abschaffung der Sozialpartnerschaft, der Einfluss auf die Postenbesetzungen in den Bundesministerien und das "Kastendenken" einer realitätsbezogenen, kritischen Betrachtung unterzogen. Zwischen Politik und Topbeamten bestünde ein Abhängigkeitsverhältnis, das sich zu Ungunsten der Beamten entwickelt hätte.

Amtsdirektor Ing. Reinhold Pölsler, BMAA:
"Verwaltungsmodernisierung im Außenministerium"
In umfassender, instruktiver Art und Weise wird eine Bilanz über 7 Jahre Innovationsarbeit im BMAA gezogen und der stufenweise Ausbau von Facility Management über die Kostenrechnung, das Controlling bis zum Wissensmanagement, Qualitätsmanagement und Balanced Scorecard geschildert.

Obersenatsrat Dr. Paul Jauernig, Interne Revision im Magistrat Wien:
"Interne Revision im New Public Management"
Die Stellung der Internen Revision im NPM wird an Hand des Wiener Beispiels dargestellt. Die Interne Revision hat sich von der Amtsinspektion zur Konzernrevision weiter entwickelt, welche den Prozess der Verwaltungsmodernisierung unterstützt.

Obersenatsrat i.R. Univ.-Doz. Dr. Friedrich Klug, Stadtrechnungshof Linz:
"Politik und Verwaltung im (New) Public Management aus der Sicht eines Stadtrechnungshofdirektors"
Das NPM setzt neue Prüfungsschwerpunkte für die öffentliche Kontrolle, wie die Erreichung der öffentlichen Wohlfahrtsziele, die Evaluierung der Funktionsfähigkeit des Controllings, der Kundenzufriedenheit, des flexiblen Budgetvollzugs und Kontraktmanagements. Öffentliche Kontrolle ist Konkurrenzersatz und setzt Benchmarking im Zeit- und Betriebsvergleich ein. Sie ist "Avantgarde" der Verwaltungsmodernisierung und bewegt sich im Konfliktfeld zwischen Politik und Verwaltung. Ihr kommt eine empfehlende, beratende, aber auch wichtige präventive Funktion zu. Sie soll möglichst führungsnah angesiedelt und unabhängig sein; sie ist als "vierte Staatsgewalt" so etwas wie ein Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung.

Die Kontrolle stellt das "gute Gewissen" der Politik, eine moralische Instanz kraft fachlicher Kompetenz und Überzeugungskraft dar.

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