Wahrung und Stärkung der Gemeindeautonomie

IKW-Schriftenreihe Nr. 124 - Linz, 2012
Zusammenfassung für den "eiligen Leser"

Friedrich Klug

Die Gemeinden sind die erste und wichtigste Anlaufstelle für die Bürger. Sie erbringen unentbehrliche Leistungen der Daseinsvorsorge, sorgen für Investitionen, beleben die örtliche Wirtschaft und sind wichtige Arbeitgeber.

Die globale Wirtschafts-, Schulden- und Finanzkrise führte zu einem starken Rückgang der Einnahmen aus den Ertragsanteilen des Bundes und aus den gemeindeeigenen Steuern und Abgaben. Die Finanzkraft der Gemeinden wird durch landesgesetzliche Bestimmungen durch Umverteilung innerhalb der Länder zwischen den Gemeinden und von den Gemeinden wieder zurück an die Länder erheblich geschwächt, sodass die Kommunen ihre Aufgaben reduzieren müssen oder nur mehr durch Schuldaufnahmen erfüllen können, wodurch sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Kreditgebern, aber auch zu den Ländern geraten. Gemeinden werden auf diese Weise zu „Bittstellern“ beim Land und können kaum mehr die Pflichtaufgaben und schon gar nicht mehr Ermessensaufgaben erfüllen, welche die eigentliche Grundlage für politische Gestaltungsfähigkeit darstellen.

Das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Gemeindeautonomie ist daher in zunehmendem Maße gefährdet und engt den Handlungsspielraum der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister immer mehr ein.

Im Rahmen der gegenständlichen Studie werden Alternativen und Instrumente aufgezeigt, welche im Stande sind,  die Gemeindeautonomie zu wahren und wieder zu stärken. Hiezu sind nicht nur Strukturreformen notwendig, sondern auch gesetzliche Regelungen im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes, des Stabilitätspaktes, der Erzielung zusätzlicher Einnahmen und der Steuergestaltung. Letztlich geht es darum, dass die Verwaltungsreform in Österreich durch konkrete Maßnahmen endlich in Angriff genommen wird, um die Schulden in den Griff zu bekommen und die Effektivität und Effizienz der öffentlichen Verwaltung, insbesondere der bürgernahen Gemeinden zu stärken.

Der IKW-Band ist in drei Abschnitte gegliedert, nämlich:

  • Aufgaben- und Strukturreform
  • Reform des Finanzausgleichs
  • Kommunale Steuerautonomie

Aufgaben- und Strukturreform

Im ersten Abschnitt gehen die Autoren davon aus, dass eine unverzichtbare Voraussetzung für die Wahrung und Stärkung der Gemeindeautonomie eine mit den einzelnen Verwaltungsebenen abgestimmte Aufgabenreform und darauf aufbauend eine Strukturreform des bundesstaatlichen Aufbaus der Republik Österreich ist. Demnach lautet die Logik, dass zuerst die Aufgaben und Kompetenzen konsistent sein müssen, darauf aufbauend sind die organisatorischen Strukturen neu zu gliedern, sind der Finanzausgleich und das Steueraufkommen auf die neuen Strukturen abzustimmen, sodass letztlich eine stabile Finanzwirtschaft und ein ausgeglichenes Budget erreicht wird.
Voraussetzung hiefür ist allerdings ein von Mut getragener Reformwillen der politischen Entscheidungsträger, der Bediensteten und Staatsbürger; nur so kann ein Konsens aller Beteiligten erzielt und kann von einer echten und wirksamen Verwaltungsreform gesprochen werden.

Aufgaben, Ausgaben und deren Finanzierung sind dem äquivalenten Konnexitätsprinzip entsprechend in Einklang zu bringen: Wer zahlt schafft an und wer anschafft, muss auch zahlen. Diesem einfachen und wirkungsvollen Prinzip wird in unserem Land vielfach nicht entsprochen. Mangels klarer Kompetenzregelungen im föderalen Staat bestehen Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten und damit Ineffizienzen und Transparenzdefizite. Der Föderalismus und die kleinräumige Gemeindestrukturen sind teuer. Mögliche Synergien sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft (Gerhard Steger).

Seit der Gemeinde-Verfassungsnovelle hat sich bezüglich der Gemeindeautonomie nicht viel geändert und sind die Strukturen, Aufgaben, Wirkungsbereiche und deren Finanzierung im Großen und Ganzen so geblieben wie sie eben waren und noch immer sind – die Gemeindeautonomie war und ist „ein schönes Märchen“; die Zahl der Abgangsgemeinden und der Schuldenstand sind gestiegen (Martin Stieger).

Die kommunale Selbstverwaltung ist in letzter Zeit einer „schleichenden Aushöhlung“ unterworfen, wie zum Beispiel durch die Rechnungshofkontrolle ab einer Gemeindegröße von 10.000 Einwohnern und die Möglichkeit der Anordnung von Gebarungskontrollen durch Bundes- und Landesrechnungshöfe durch die Landtage. Eine weitere Einschränkung des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden erfolgt durch die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit zur Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes (Martin Huber).

Um die Gemeindeautonomie zur stärken und damit sich die Gemeinden aus der „Umklammerung“ durch die Bundesländer zu lösen imstande sind, müssen die Strukturen geändert und die finanzielle Ausstattung verbessert werden. Vielfach kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gemeinden von den Ländern abhängen und die BürgermeisterInnen beim zuständigen Gemeindereferenten „antichambrieren“ müssen. Die Bundesländer sind eine Zwischeninstanz zwischen dem Bund und den Gemeinden und managen zum überwiegenden Teil die vom Bund eingehobenen Abgabenanteile. So sollten etwa die Bedarfszuweisungmittel vom Bund direkt nach objektiven, nachvollziehbaren Schlüsseln den Gemeinden ohne „Umweg über die Länder“ zugewiesen werden.

Im vorliegenden Sammelband werden daher durchaus legitime Vorschläge zu einer echten Strukturreform unterbreitet, die geeignet sind, die Gemeindeautonomie nachhaltig zu stärken und demokratische Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene bürgernahe zu ermöglichen. Ein möglicher Ausweg aus der Verwaltungsreform-Sackgasse wäre die Bildung von Regionen mit eigenem Statut, die eine Professionalisierung der Verwaltungsleistungen, mehr Bürgernähe und eine Entlastung der BürgermeisterInnen ermöglichen - dennoch blieben die Identität stiftenden Symbole erhalten. Insbesondere könnten übergeordnete Interessen, wie Flächenwidmung, Raumordnung, Betriebsansiedlung, Infrastruktur, Verkehr, Abwasser- und Abfallbeseitigung zentralörtlich geplant und gesteuert werden (Bernhard Müller).

Ein weiterer, durchaus sinnvoller Vorschlag geht in eine ähnliche Richtung - nämlich die Optimierung und Zusammenfassung von politischen Bezirken und die gemeinsame Besorgung von Bezirksverwaltungsagenden durch die Magistrate einer zentralörtlichen Statutarstadt. Diese grundlegende Verwaltungsreform ist durch eine selbstständige, das heißt verfassungsunmittelbare Verordnung der Landesregierung und im Fall der Statutarstädte per Landesgesetz mit Zustimmung der Bundesregierung durchaus möglich, falls der politische Wille vorhanden ist. Wachstums-, Synergie- und Kostenoptimierungsziele können damit erreicht werden. Diesen durchaus sinnvollen Weg hat die Steiermärkische Landesregierung durch Fusion von Bezirken bereits beschritten. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz hat den Antrag gestellt, die Bezirksverwaltungsbehörden von Linz-Land und Urfahr-Umgebung mit dem Magistrat Linz zusammenzulegen, zumal sich diese drei Behörden ohnedies auf Linzer Stadtgebiet befinden. Die unterschiedlichen landesgesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Finanzierung, Trägerschaft und Perso-nalausstattung auf dem Gebiet der Kinderbetreuung, der Sozialhilfe und der Krankenanstalten sind nicht transparent und äußerst komplex, weshalb deren Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit kritisch zu hinterfragen ist (Detlef Wimmer).

Zusammengefasste, größere Gemeinden sind effizienter und leistungsfähiger. Das zu realisierende Sparpotential erreicht Größenordnungen von mindestens 4 bis 5 Prozent. Aus diesem Grund läuft die Fusionswelle in der Schweiz ungebremst weiter. In Österreich sind nunmehr Kooperationen über Bezirks- und Landesgrenzen möglich und können auch Mehrzweckverbände eingerichtet werden. Allerdings entstehen Kooperationen meist anlassbezogen und folgen primär dem lokalen Bedarf und wird das deutlich größere Potenzial einer Zusammenlegung nicht ausgeschöpft, weil der Reformwille der politischen Mandatare und MitarbeiterInnen oft nicht vorhanden ist (Klaus Wirth).

An Hand eines konkreten Beispiels der Gemeinden Hagenberg im Mühlkreis, Pregarten und Wartberg ob der Aist, wo die Möglichkeiten einer Fusion zur Linderung der angespannten finanziellen Lage der Gemeinden sondiert wurden, lässt sich zeigen, welche positiven Effekte erzielt und quantitativ nachgewiesen werden können. Das Einsparpotenzial der drei Gemeinden beläuft sich auf ca. 5 bis 10 % und bezieht sich auf die Personalausgaben, aber auch auf den Sachaufwand. Auf ganz Oberösterreich bezogen hätten in den vergangenen fünf Jahren bereits € 22 bis 45 Mio. eingespart werden können. Das jährliche Einsparpotential der drei zur Gemeinde „AIST“ zusammengelegten Kommunen wird mit € 93.000 bis € 187.000 beziffert und hätte die finanzielle Belastung der drei Gemeinden erleichtert und deren Leistungskraft erhöht. Je kleiner die Gemeinden sind, desto größer sind nämlich die Verwaltungskosten je Kopf der Bevölkerung. Außerdem könnten Bauflächen für den Ausbau bestehender Betriebe und die Neuansiedlung von Betrieben entstehen und somit Mehreinnahmen an Gemeindeabgaben und Abga-benertragsanteilen erzielt werden. Durch die Schaffung des Wirtschaftsparks AIST beliefen sich die Effekte auf das Bruttoinlandprodukt auf jährlich € 43,7 Mio. und würden ca. 350 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert (Friedrich Schneider).

Nach den geltenden Bestimmungen des Art. 120 B-VG ist die Zusammenfassung von Ortsgemeinden zu Gebietsgemeinden und deren Selbstverwaltung vorgesehen, was zu einer „Demokratisierung der Bezirksverwaltung“ führte. Bis jetzt ist es dazu nicht gekommen, weil die Bundesländer eine Stärkung der Länderrechte anstreben und die Schaffung von Gebietsgemeinden eine Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung ist. Die Ausführung würde der Landesgesetzgebung obliegen. Die Einführung der Gebietsgemeinde sollte als sinnvolle Alternative zur Gemeindefusion gesehen werden, stößt allerdings an verfassungsrechtliche und politische Grenzen (Johannes Schmid).

Reform des Finanzausgleichs

Einen bestimmenden Einfluss auf die Wahrung und Stärkung der Gemeindeautonomie haben die Stabilitätspolitik in der Europäischen Union und ihre Umsetzung im Rahmen der Regelungen des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die Wirtschaftskrise führte zu einer Finanzkrise und diese wiederum zu einer hohen Staatsverschuldung und zu Budgetdefiziten. Im Rahmen eines völkerrechtlichen Regelwerkes sollen die Schulden begrenzt, das strukturelle Defizit limitiert werden. Der Fiskalvertrag führt zu einem enormen Sparzwang und übt einen Druck auf die Redimensionierung des öffentlichen Sektors aus, was dazu führt, dass das Wachstum gehemmt und die Sicherung der sozialen Wohlfahrt in Frage gestellt wird. Verteilungspolitisch umstritten ist die einnahmenseitige Finanzierung über Vermögens- und Transaktionssteuern und die Erhöhung der Spitzensteuersätze. Im Rahmen des österreichischen Stabilitätspaktes 2012 wird ein strukturelles Defizit für den Bund von 0,35 % des BIP für den Bund und von 0,1 Prozent für die Länder und Gemeinden festgeschrieben, wobei die Gemeinden zu einem landesweit strukturell ausgeglichenen Budgetsaldo verpflichtet sind und damit das schwächste Glied unter den Finanzausgleichspartnern getroffen und die Schwachstellen und Entzugseffekte der Umlagen und Beiträge perpetuiert werden.

Die eigene Abgabenhoheit der Gemeinden hat sich in den letzten Jahrzehnten laufend reduziert und die immer wieder angesprochene aufgabenorientierte Verteilung der Abgabenertragsanteile wurde bis jetzt nicht realisiert. Zu Lasten der größeren Gemeinden wurde der abgestufte Bevölkerungsschlüssel abgeflacht und der Finanzkraftausgleich zu Gunsten der Kleingemeinden gestaltet, sodass kein Anreiz besteht, Strukturreformen in Angriff zu nehmen. Vielmehr ist ein überwiegend hierarchisches und durch Unterordnung sowie intransparente Transferbeziehungen geprägtes Abhängigkeitsverhältnis festzustellen und sind sowohl die größeren als auch die kleinen Gemeinden und ihre Mandatare überfordert und in ihrer Gestaltungsmöglichkeit eingeschränkt (Helfried Bauer/Bruno Rossmann).

Vorschläge zu einer Reform des Finanzausgleichs gehen in die Richtung eines „solidarischen interregionalen Wettbewerbsföderalismus“, mehr Bürgernähe, Ausweitung der Abgabenhoheit, aufgabenorientierte vertikale Mittelverteilung und klare Aufgabenverteilung und Ausgabenverantwortung. Die Mittelabflüsse von den Gemeinden zu den Ländern durch Umlagezahlungen im Bereich der Sozial-, Jugend- und Behindertenhilfe und zur Abgangsdeckung der Krankenanstalten bewirken eine permanente Steigerung der Finanzierungslücke, insbesondere der finanzkräftigeren Gemeinden. Die im Jahr 1962 intendierte Stärkung der Gemeindeautonomie ist nachhaltig nicht gelungen. Solange Transfers zu den finanzschwächeren Gemeinden geleistet werden, besteht kein Anreiz zur Effizienzsteigerung, zur Kooperation und schon gar nicht zur Fusion. Nach der Vereinigung von Gemeinden würden sich Transferzahlungen zum Finanzkraftausgleich erübrigen (Helfried Bauer/Margit Schratzenstaller).

Das Transfergeflecht zwischen den Ländern und Gemeinden ist vielschichtig, komplex, intransparent und ineffizient und widerspricht dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz. Der negative Transfersaldo zu Lasten der Gemeinden hin zu den Ländern beläuft sich auf ca. € 1 Milliarde und ist in Oberösterreich und in Kärnten am höchsten. Die höchsten Umlagen haben die oberösterreichischen Gemeinden, gefolgt von den Gemeinden aus Vorarlberg und Kärnten, zu leisten. Durch die umverteilende Wirkung der Transfers erreichen die Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern die durchschnittlich größte Finanzkraft auf Kosten der größeren Gemeinden, sodass der Finanzausgleich „auf den Kopf gestellt“ wird. Die Lasten aus den Umlagen für Sozialhilfe, Krankenanstalten und Landesumlagen sind für die Gemeinden zwischen 20.001 bis 50.000 Einwohnern fast doppelt so hoch wie für die Gemeinden unter 1.000 Einwohnern, weil diese Transfers in hohem Maße nach der Finanzkraft aufgeteilt werden. Eine Reform soll in die Richtung einer Entflechtung der Transferzahlungen gehen, indem zum Beispiel die Sozialhilfe- und Krankenanstaltenfinanzierung von den Ländern und die Finanzierung der Kinderbetreuung und Musikschulen von den Gemeinden übernommen wird (Peter Biwald/Manuel Köfel).

Am konkreten Beispiel von Niederösterreich wird gezeigt, wie eine Entlastung der Gemeinden auf dem Gebiet der Umlagen herbeigeführt wurde. So wurde die Landesumlage Ende 1996 abgeschafft, eine Regionalförderung ab 1986 etabliert und erfolgte die Übernahme der Gemeindekrankenhäuser. Die regelmäßig stattfindenden „Kommunalgipfel“ führen zu konkreten Ergebnissen durch Gewährung von Landeshilfen und durch die mittelfristige Ausrichtung der Haushaltsführung der Gemeinden auf Grund der Vorgaben des Österreichischen Stabilitätspaktes. Die ständig steigenden Ausgaben im Gesundheits- und Sozialbereich und die Wirtschafts- und Finanzkrise haben jedoch diese Vorteile inzwischen wieder kompensiert (Christian Schleritzko).

Kommunale Steuerautonomie

In den letzten Jahren ist eine anteilsmäßige Reduzierung der eigenen Gemeindeabgaben und deren teilweise Kompensierung aus dem Steuerverbund sowie durch Gebühreneinnahmen festzustellen. Empfohlen wird eine Effizienzerhöhung durch Stärkung des Konnexitätsprinzips und die Gestaltung eines kommunalen Abgabensystems nach den Kriterien der Radizierbarkeit, der lokalen Gestaltungskompetenz und Transparenz unter Beachtung der Konjunktur-Unempfindlichkeit, Administrierbarkeit und der Wettbewerbsanfälligkeit.

Optionen zur Stärkung der kommunalen Steuerautonomie ergeben sich auf dem Gebiet der Grundsteuer durch Heranführung der Einheitswerte an die Verkehrswerte. Die Kriterien der örtlichen Radizierbarkeit und der fiskalischen Äquivalenz sind hier in besonderem Maße erfüllt. Weitere Optionen wären die Einführung von kommunalen Zuschlagsrechten bei der Einkommensteuer, der Ausbau der Kommunalsteuer in Richtung Wertschöpfungsabgabe, die Einführung umweltbezogener Kommunalabgaben und die Ermächtigung zur Einhebung eines Gemeinde-Infrastrukturbeitrages in den Bereichen Bildung, Gesundheitsprävention, Pflege und Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Ebenso könnte an einen Ausbau der Zweitwohnsitzabgabe und die Einführung einer Abgabe auf alkoholische Getränke gedacht werden.

Nicht zu den Steuern und Abgaben zählen die Preise für auf dem Markt erbrachte Leistungen des Staates, die einen Ermessensspielraum für Einnahmeanpassungen eröffnen, der genutzt werden sollte. Der unangenehme Dialog mit den GemeindebürgerInnen über Sparmaßnahmen oder höhere Abgaben wird den Entscheidungsträgern nicht erspart bleiben und erfordert viel Mut und Überzeugungskraft; dieser mühsame Weg ist allerdings unverzichtbar (Helfried Bauer, Peter Biwald, Anita Haindl, Hans Pitlik, Margit Schratzenstaller).

Gemeindliche Selbstverwaltung bedarf eines eigenen finanziellen Handlungsspielraumes, weshalb auch der Einnahmeseite besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Die Bemessung der Finanzkraft aus Grundsteuer und Kommunalsteuer ohne Berücksichtigung der so wichtigen Bundesabgabenertragsanteile ist problematisch, weil sie die finanzstarken Gemeinden über Gebühr belastet.

Die Länder nehmen von ihrem Abgabenfindungsrecht zu Gunsten der Gemeinden viel zu wenig Gebrauch. Im Hinblick auf die schwierige finanzielle Lage der Gemeinden könnte als ausschließliche Gemeindeabgabe etwa eine Alkoholgemeindesteuer eingeführt werden. Besondere Relevanz kommt auch dem so genannten grauen (stillen) Finanzausgleich zu, indem den Gemeinden durch Aufgabenübertragung zusätzliche Kosten erwachsen, die nicht finanziell abgegolten werden (Peter Mühlberger).

Gedanken des Herausgebers zum Föderalismus

Der Föderalismus wird von Verwaltungsfachleuten, aber auch von Vertretern der freien Wirtschaft in zunehmendem Maße als kostspieliges Relikt aus der Vergangenheit in Frage gestellt; hiezu ein prägnantes Zitat:

„Der Föderalismus ist eine „Heilige Kuh“ in Österreich. Unser kleines Land mit acht Millionen Einwohnern leistet sich immerhin vier Verwaltungsebenen: Bund, Länder, Bezirke und Gemeinden. Mindestens eine Ebene ist zu viel, nämlich die Länder mit ihren mächtigen Landesfürsten, die einen guten Teil des Steuergeldes ausgeben, ohne für die Einhebung verantwortlich zu sein - eine paradiesische Situation, die Ineffizienzen in der Verwaltung fördert. Dazu beschicken die Länder den Bundesrat, dessen Sinn sich auch dem professionellen politischen Beobachter entzieht“ (Die Presse, 25.5.2007, Titelblatt).

Beispiele aus Europa und Österreich

Die kleingliedrige Gemeindestruktur Österreichs ist kostspielig. Die Gesamtausgaben je EinwohnerIn in den kleinsten Gemeinden bis zu 250 Einwohnern sind mit rund € 3.200 am höchsten; dann sinken die Ausgaben je Einwohner bis zu einer Gemeindegröße von 2.500 Einwohnern ab, um dann ab ca. 5.000 Einwohnern wieder zu steigen. In Städten ab 100.000 Einwohnern belaufen sich die Ausgaben je Einwohner bei einem weit höherem Aufgabenspektrum auf ca. € 3.000.

Frau Brigitte Boller, Gemeindepräsidentin aus der Schweiz meint in der NZZ vom 16.4.2012, dass eine Gemeinde nicht Spielball, sondern Gestalterin der Zukunft sein soll, weshalb eine Kommune in etwa eine Größe von 4.000 bis 6.000 Einwohnern haben müsse. So gesehen ist das Synergiepotential in Österreich bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Auf dem richtigen Weg ist zum Beispiel Dänemark mit nur mehr 98 Gemeinden und einer durchschnittlichen Größe von 30.000 Einwohnern.

Schottland hat nach der Verwaltungsreform mit 5,5 Mio. Einwohnern nur mehr 32 Kommunen und liegt diesbezüglich an der Spitze von Europa. 

Eine effiziente Variante ist die Vorgangsweise in zwei Schritten:

Der erste Schritt ist die Zusammenführung von Gemeinden und anschließend die Verleihung eines Stadtstatutes an die fusionierten Gemeinden um eine ausreichende Verwaltungskraft und eine Gemeindegröße von mindestens 20.000 Einwohnern zu erreichen.

Ein zweckmäßiger und wirtschaftlicher Ansatz zur Strukturreform ist die Zusammenfassung von Bezirken, um Verwaltungseinheiten mit einer besseren Leistungskraft und effizientem Ressourceneinsatz zu bilden.

Haben Änderungen der Gemeindegrenzen auch Änderungen in den Sprengeln der Verwaltungsbezirke zur Folge, so sind sie durch Verordnung der Landesregierung mit Zustimmung der Bundesregierung zu verfügen.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Einrichtung von politischen Verwaltungsbezirken auf eine Verordnung über die Durchführung des Gesetzes über die Einrichtung der politischen Verwaltungsbezirke im Erzherzogtum Österreich unter der Enns, RGBl. Nr. 10/1868 zurückgeht, also auf ein Gesetz des Kaisertums Österreich aus der altösterreichischen Monarchie.

Das Steiermärkische Bezirkshauptmannschaftsgesetz, LGBl. Nr. 60/1997 wurde mit Gesetz vom 18. Oktober 2011 geändert und damit die Zusammenlegung von Bezirkshauptmannschaften und deren Bezeichnung und Sitz durch Verordnung der Landesregierung ermöglicht. Durch Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. Oktober 2011 wurden die Sprengel, Bezeichnungen und Sitz der Bezirkshauptmannschaften mit Zustimmung der Bundesregierung neu festgelegt und mit 1. Jänner 2012 in Kraft gesetzt.

Wenn die Gemeinden eines Bezirkes oder eines zusammengelegten Bezirkes nicht fusioniert werden, sondern selbstständig bleiben und dennoch in einer regionalen Verwaltungseinheit zusammengefasst werden sollen, dann müsste dieser Verwaltungsorganisation ein eigenes Statut per Landesgesetz verliehen werden. Hiefür fehlt allerdings die verfassungsrechtliche Grundlage im B-VG. Der „Bezirksbürgermeister“ und ein „Bezirksparlament“ müssten jedenfalls demokratisch gewählt werden. Weiterhin sind die Bürgermeister und Gemeinderäte der Ortsgemeinden zu wählen. Die gemeinsamen Aufgaben für die Ortsgemeinden würde dann der „Bezirksmagistrat“ mit entsprechender Kompetenz, mehr Leistungsfähigkeit und ausreichender Verwaltungskraft übernehmen.

Ein gangbarer Weg wäre die Zusammenfassung von Ortsgemeinden eines politischen Bezirkes zu Gebietsgemeinden und deren Einrichtung nach dem Muster einer demokratischen Selbstverwaltung gemäß Art. 120 B-VG. Um die immer wieder von der Bevölkerung und insbesondere von den direkt betroffenen Gemeindemandataren geforderte Wahrung der Identität und des lokalen Bezugsrahmens zu gewährleisten, bestehen im Rahmen der landesgesetzlichen Grundlagen durchaus Möglichkeiten, den örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und die weitere Untergliederung in Ortschaften auf freiwilliger Basis vorzunehmen. Städte mit eigenem Statut können in Bezirke gegliedert werden.

Optimierungsvorschläge

Die Bezirke sollten optimiert und die Gemeinden eines Bezirkes zu leistungsfähigen Statutar-Bezirksstädten mit ausreichender Verwaltungs- und Finanzkraft zusammengeschlossen werden.

Ohne einfachgesetzliche Änderungen sind folgende Strukturreformen unter der Voraussetzung, dass die erforderlichen Beschlussmehrheiten in den Gemeinderäten und im Landtag gefunden werden, möglich:

  • Gemeindekooperationen und Verwaltungsgemeinschaften als Zwischenstufe
  • Zusammenlegung von Gemeinden
  • Verleihung eines eigenen Stadtstatuts
  • Kombination: Zuerst Zusammenlegung und dann Verleihung eines Statuts
  • Zusammenfassung und Optimierung von Bezirken
  • Untergliederung der Gemeinden und Städte in Ortschaften und Bezirke zur Bewahrung der Gemeinde-Identität

Die Bestimmungen der Bundesverfassung sind vor Einleitung von Strukturreformen in den folgenden Fällen zu ergänzen:

  • Verleihung eines Bezirksstatuts für jene Bezirke, in denen die selbstständig
  • bleibenden Ortsgemeinden von einem gewählten „Bezirksbürgermeister“ geleitet und von einem „Bezirksmagistrat“ verwaltet werden.

Gründung von Gebietsgemeinden im Sinne des Art. 120 B-VG

Gesetzgebungskompetenz der Länder

In diesem Zusammenhang sollte hinterfragt werden, ob es wirtschaftlich und zweckmäßig ist, dass für Österreich insgesamt 11 bzw. 12 gesetzgebende Gremien, nämlich neun Landtage und je einen Nationalrat, Bundesrat und ein EU-Parlament, vorhanden sind.

Echte Verwaltungsreform sollte auf einer klaren, möglichst einheitlichen Gesetzgebung „aus einem Guss“ beruhen, vielen Ballast einer überbordenden Gesetzes- und Verordnungsflut abwerfen und auf umständlichen „Verwaltungskram“ verzichten.

Für Österreich sind zwei Verwaltungsebenen, nämlich die Bezirksstädte (Statutarbezirke bzw. Gebietsgemeinden) und der Bund ausreichend. Als Gesetzgeber genügen der Bund und das EU-Parlament. Eine gesetzgebende Zwischeninstanz zwischen Bund und Gemeinden ist entbehrlich. Leider scheiterten bislang alle Bemühungen zu einer Strukturreform und Kompetenzbereinigung, wie zum Beispiel im „Österreich-Konvent“, am Widerstand der Länder, was eine Pattstellung zur Folge hat: „Es ist, wie es ist“, wird dann resignierend gesagt.

Ohne Kompetenzbereinigung ist keine Strukturreform möglich und ohne diese kann der Finanzausgleich nicht äquivalent nach dem Konnexitätsprinzip gestaltet werden und können die Budgets nicht nachhaltig saniert werden.

Die Länder sollten als geografische Einheit, bestehend aus den Statutar-Bezirksstädten, jedoch ohne Kompetenz für die Gesetzgebung, erhalten bleiben. Der Landeshauptmann, die Landesregierung und das Amt der Landesregierung müssten koordinierende Zentralfunktionen ausüben. Der Landeshauptmann und die Landesregierung sollten ebenso wie die „Bezirks-Bürgermeister“ demokratisch gewählt werden. Die Funktion der Länder als „Transferzahlungs-Umverteiler“ und Zwischeninstanz zwischen Bund und Kommunen mit gefügigen Gemeinden, die als „Marionetten“ am „Gängelband“ der Länder hängen, ist entbehrlich, zumal die Länder ohnedies kaum über eigene Einnahmen verfügen und von den Bundesabgabenertragsanteilen profitieren. Die Gemeinden müssen finanziell stark und leistungsfähig sein, nur so können sie ihren Bürgern am besten dienen. Die Kommunen sind nicht die „Enkel“ des Bundes, sondern seine „Kinder“.

Der Föderalismus als „heilige Kuh“ müsste hinterfragt werden, ob dieser noch zeitgemäß ist und durch leistungsfähige Strukturen im relativ kleinen Österreich ersetzt werden sollte. Verwaltungsreform muss mit viel Mut und Energie vorangetrieben werden!

Die Bundeshauptstadt Wien hat die angestrebte Strukturreform in weiten Bereichen schon fast vorweggenommen. Der Landtag spielt gegenüber dem Gemeinderat nur eine periphere Rolle und ist mit dem Gemeinderat identisch. Die Bundeshauptstadt Wien wäre gemäß diesem Modell gleichzeitig  Land und Statutarstadt, allerdings ohne Gesetzgebung und bestünde weiterhin aus Bezirken mit magistratischen Bezirksämtern, die mit sachkundigen Bediensteten besetzt sind.


Herausgeber und Schriftleiter Friedrich Klug

Portraitfoto Friedrich Klug

geboren in Wien
Studium an der Hochschule für Welthandel (Wirtschaftsuniversität) Wien und an der Universität Linz
Dkfm. MMag. Dr., Studium der Handelswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik
Universitätsdozent an der Universität Linz
Fachhochschulprofessor FH OÖ, Campus Linz
Obersenatsrat und Generaldirektor der Linzer Lokalbahn AG
gerichtlich beeideter Sachverständiger für das öffentliche Rechnungswesen
Träger des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich
Herausgeber der IKW-Schriftenreihe „Kommunale Forschung in Österreich“ nach dem Gründungsrektor der Universität Linz  o. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Fröhler
Leiter des Institutes für Kommunalwissenschaften - IKW  Linz
Vorstandsmitglied des Verbandes der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft – VÖWG
Mitglied des Kuratoriums des KDZ, Zentrum für Verwaltungsforschung, Wien
Leiter der Koordinationsstelle Wissenschaft der Stadt Linz - KoWi

Arbeitsschwerpunkte und Forschungsbereiche
Öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft
öffentliches Haushalts- und Rechnungswesen
öffentliche Finanzkontrolle und Kommunalwirtschaft


 

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