Medienservice vom: 05.03.2024 |Downloads zur Meldung|Fotos zur Meldung

Wieso hat mir das vorher niemand gesagt? Rechtsberatung für Linzerinnen

Seit 2012 führen Juristinnen des aFZ (autonomes Frauenzentrum) die kostenlose präventive Rechtsberatung im Auftrag des städtischen Frauenressorts durch. Denn finanzielle Unabhängigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Frauen ihr Leben selbstbestimmt und frei von Gewalt gestalten können. Weibliche Erwerbsbiographien sind auch heute noch gekennzeichnet durch zeitweilig unterbrochener bzw. verminderter Berufstätigkeit und der daraus resultierenden Altersarmut. Ziel ist es, Frauen in Situationen zu beraten, bevor wichtige Lebensentscheidungen gefällt werden. Die häufigsten Probleme ergeben sich in Partnerschaften aufgrund geschlechterungleicher Verteilung von Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit (Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen). 

Frauen sind dadurch nach Ehescheidung oft unzureichend abgesichert oder verfügen über zu wenig Kenntnis von vermögensrechtlichen Folgen im Falle einer Trennung. Dies kann für Frauen weitreichende Konsequenzen haben und gerade auch in der Pension existenzbedrohend sein. Dementsprechend ist es wichtig, dass Frauen die Möglichkeit haben, sich gezielt über die Auswirkungen von Entscheidungen zu informieren und ihre Rechte kennen. 

„Finanzielle Unabhängigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Frauen ihr Leben selbstbestimmt und frei von Gewalt gestalten können. Durch die präventive Rechtsberatung versuchen wir Frauen noch vor wichtigen Lebensentscheidungen über rechtliche und finanzielle Konsequenzen zu informieren, um ihnen mögliche Handlungsalternativen und Absicherungsmöglichkeiten aufzeigen zu können. Fehlende finanzielle und rechtliche Absicherung kann für Frauen gerade im Alter existenzbedrohend sein. Ich bedanke mich beim gesamten Team des autonomen Frauenzentrums für die engagierte Arbeit für die Linzerinnen“, sagt Frauenstadträtin Mag.a Eva Schobesberger.

Präventive Rechtsberatung im Jahr 2023 aus Sicht des aFZ

Im Jahr 2023 hat das autonome Frauenzentrum 744 Beratungsstunden für Linzerinnen geleistet und diese Anzahl wurde damit im Vergleich zu den Vorjahren um rund 100 Stunden erhöht. Viele Frauen kommen nach wie vor im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung, nicht zuletzt aufgrund von körperlicher und/oder psychischer und/oder ökonomischer Gewalt ins aFZ. Hinzu kommt, dass die unabhängige Einkommenssicherung und finanzielle Selbstbestimmung Grundvoraussetzungen sind, dass Frauen sich aus einer Gewaltbeziehung befreien können.

Bei Trennung und Scheidung allgemein ist die finanzielle Absicherung der Frauen und Kinder nach der Trennung das Hauptthema und oft Auslöser für eine Beratung. Der Vorteil der präventiven Beratung ist, dass wir neben der eigentlichen Scheidungsberatung die „eigene und unabhängige“ Einkommenssituation und die Altersabsicherung in den Fokus nehmen, um die Lebenssituation der Frauen nachhaltig zu verbessern.

Die Altersvorsorge von Frauen (Pension) ist inzwischen ein beständiger Teil der Beratung. Hierzu ist das Interesse der Frauen auch aufgrund der verstärkten medialen Präsenz des Themas (Vollzeitdebatte) gestiegen. Das betrifft auch das Pensionssplitting. Insbesondere durch die Beratungen des aFZ ist es gelungen, dass Oberösterreich 2023 – und dabei überwiegend Linz – die im gesamtösterreichischen Vergleich höchste Anzahl an Pensionssplittingfällen erreicht hat. Trotzdem bedarf es noch mehr an Bewusstseinsarbeit für Eltern, aber auch im Bereich der zuständigen Mitarbeiter*innen der Pensionsversicherungsanstalt.

Nach wie vor stellt sich die Frage, wie wir Frauen frühzeitig mit dem Thema der finanziellen Selbstbestimmung, Einkommens- und Altersvorsorge erreichen können, auch wenn wir 2023 bereits rund ein Drittel der Frauen losgelöst von Trennung und Scheidung erreichen konnten. Gerade in Bezug auf die fehlende Absicherung von Frauen in Lebensgemeinschaften mit existenzbedrohenden Folgen im Trennungsfall bzw. in der Pension fehlt das Bewusstsein.

Die Beratungserfahrung („Wieso hat mir das vorher niemand gesagt?“) zeigt auf, dass es weiterhin viel Bewusstseinsarbeit für das Thema der eigenständigen finanziellen Absicherung von Frauen braucht. 

Einkommensschere

In Österreich haben Frauen im Jahr 2023 durchschnittlich 16,9 Prozent weniger verdient als Männer. Frauen haben somit im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen im letzten Jahr 62 Tage zwar nicht umsonst, aber zumindest gratis gearbeitet. Verglichen werden dabei Arbeitnehmer*innen mit ganzjährigen Bezügen und Vollzeitbeschäftigung (Quelle: AK ).

Frauen verdienen selbst in akademischen Berufen weniger: Insgesamt bekommen Frauen mit einem Master, Diplom-, Universitäts-, FH- oder PH-Abschluss um etwa 13 Prozent weniger als Männer mit dem gleichen Bildungsabschluss. Frauen mit Master in der Studienrichtung „Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ werden so kurz nach ihrem Abschluss sogar um etwa 18 Prozent geringer entlohnt als Männer in diesem Studienfeld – und das bei Vollzeiterwerbstätigkeit. (Quelle: Statistik Austria)

Mehr als die Hälfte der berufstätigen Frauen arbeiten jedoch in Teilzeit und scheinen in diesen Berechnungen gar nicht auf. Bei den mittleren Bruttojahreseinkommen – in denen auch teilzeitbeschäftigte Personen abgebildet werden – lag die Lohnschere im Jahr 2021 bei über 1.000 Euro monatlich bzw. bei rund 35,5 Prozent (Quelle: Statistik Austria). Diese Zahlen finden in der Pension ihren Höhenpunkt. Denn hier werden auch Frauen abgebildet, die Jahre lang in keiner dieser Statistiken angeführt wurden. Frauen, die sich über viele Jahre der Kinderbetreuung und/oder Pflege naher Angehöriger gewidmet haben. Insbesondere im ländlichen Raum sind Kinderbetreuungseinrichtungen immer noch unzureichend bis gar nicht vorhanden und Betroffenen wird es erschwert, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Aufgrund des deutlichen Gender Pay Gaps, ist es dann auch das niedrigere Einkommen der Frau, auf welches am häufigsten verzichtet wird, wenn eine Entscheidung darüber gefällt wird, wer die (unbezahlte) Kinderbetreuung und/oder die Pflege von Angehörigen übernimmt. Die Summe dieser Faktoren führt dazu, dass Frauen in Österreich um 40,5 Prozent weniger Pension erhalten als Männer (Quelle: Österreichischer Städtebund).

Zeitverwendungsstudie 2023

Die Zeitverwendungsstudie, welche im Dezember 2023 von der Statistik Austria veröffentlich wurde, zeigt, dass Frauen deutlich mehr arbeiten als Männer. Vieles davon unbezahlt. Die durchschnittliche Frau übernimmt drei Stunden und 58 Minuten täglich unbezahlte Arbeit, Männer hingegen nur zwei Stunden und 26 Minuten. Würden Männer sich zu gleichen Teilen an der unbezahlten Sorgearbeit beteiligen, könnten Frauen zusätzlich 46 Minuten einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, ohne tatsächlich eine Minute länger gearbeitet zu haben.

Der durchschnittliche Lohn für 46 Minuten betrug für eine Frau im Jahr 2023 15,98 Euro (Quelle: statista). Dieser Verlust schlägt sich jährlichen mit 4.154,80 zuzüglich Sonderzahlungen nieder und drückt am Ende in weiterer Folge massiv auf die Pensionshöhe.

Pensionssplitting

Das Pensionssplitting ist eine Möglichkeit, insbesondere Frauen vor Altersarmut zu schützen. Jener Elternteil, der vorwiegend einer bezahlten Arbeit nachgeht, kann jenem Elternteil eine Pensionsgutschrift übertragen, welcher vorwiegend die Kinderbetreuung übernimmt und dadurch Einkommensverluste erleidet. Und das sind in der Regel Frauen. Das Pensionssplitting ist derzeit noch freiwillig und es werden relativ selten Anträge gestellt. Das autonome Frauenzentrum macht deshalb in ihrer präventiven Rechtsberatung besonders auf die Möglichkeit des Pensionssplittings aufmerksam und bestärkt Frauen, diese Form des finanziellen Ausgleichs vom Vater des gemeinsamen Kindes einzufordern.

Insbesondere auch durch die Beratungen des aFZ ist es gelungen, dass Oberösterreich 2023 – und dabei überwiegend Linz – die im gesamtösterreichischen Vergleich höchste Anzahl an Pensionssplittingfällen erreicht hat (Quelle: Pressestelle PV). Hier bedarf es noch mehr an Bewusstseinsarbeit für Eltern, aber auch im Bereich der zuständigen Mitarbeiter*innen der Pensionsversicherungsanstalt. Generell wäre ein verpflichtendes Pensionssplitting (ohne Opt-Out) ein wichtiger Baustein, um Altersarmut von Frauen langfristig zu verhindern.

Deshalb braucht es eine kostenlose präventive Rechtsberatung!

In Partnerschaften werden verschiedenste Lebensentscheidungen gemeinsam getroffen, deren weitreichende Folgen von Frauen häufig alleine getragen werden müssen. Das 2012 eingeführte Angebot der präventiven Rechtsberatung wird von erfahrenen Juristinnen des autonomen Frauenzentrums durchgeführt und soll dazu beitragen, die Armutsgefährdung von Frauen in Linz langfristig zu mindern. Linzerinnen können sich vor wichtigen Lebensentscheidung (wie Familiengründung) über Rechte und Ansprüche in der Partnerschaft bzw. nach einer etwaigen Trennung beraten lassen und erhalten wertvolle Informationen zu allgemeinen Fragen der finanziellen Absicherung. 

(Informationsunterlage zur Pressekonferenz von Frauenstadträtin Mag.a Eva Schobesberger zum Thema Angebot der präventiven Rechtsberatung)

Weitere Gesprächspartnerinnen:
Dr.in Andrea Jobst-Hausleithner, MBA, autonomes Frauenzentrum 
Dipl. Soz.-Päd.in (FH) Anne Brack, Frauenbeauftragte

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