Reformen im österreichischen Finanzausgleich Oberösterreichischer Städtebund fordert zusätzliche Mittel für Städte und Gemeinden
- Hauptforderung: neuer Verteilungsschlüssel 62 % Bund, 20 % Länder, 18 % Städte und Gemeinden statt bislang 68:20:12
Städte und Gemeinden tragen wesentlich zur Lebensqualität der Bürger*innen bei. Sie sind es, die in ihrer direkten Schnittstelle zu den Bürger*innen eine bedarfsgerechte Aufgabenerfüllung verantworten. Diese Aufgabenerfüllung fordert ebenso finanzielle Mittel, um die bestmögliche Versorgung der Bürger*innen zu gewährleisten. Der Finanzausgleich (FAG) stellt eine der monetären Säulen dar, denn dieser regelt die finanzielle Beziehung sowie die Zuteilung von Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Dieser wird grundsätzlich alle vier bis sechs Jahre zwischen den Gebietskörperschaften neu verhandelt. Aktuell werden etwa die Umsatzsteuer oder die Lohnsteuer auf alle drei Gebietskörperschaften anhand von Ertragsanteilen aufgeteilt. Dabei erhält der Bund 68 %, die neun Länder 20 % und die über 2.000 Gemeinden und Städte 12 %. Durch die kontinuierliche Verschiebung von Zuständigkeiten, wie etwa im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegewesen oder hinsichtlich des Öffentlichen Verkehrs, ohne finanzieller Abgeltung werden die monetären Spielräume der Städte und Gemeinden permanent eingeschränkt.
„Dies zeigt schon ein klares Bild davon, dass die Verteilung der Anteile neu gedacht werden sollte. Die unterschiedlichen Bevölkerungszahlen und damit einhergehende Herausforderungen sowie die Verschiebung von Kompetenzen erfordern einen entsprechenden Verteilungsschlüssel, nach welchem die stark steigenden Ausgaben der Städte besser berücksichtigt werden. Insbesondere die aktuellen inflationären Dynamiken bringen viele Städte und Gemeinden finanziell ans Limit“, betont Städtebundpräsident Bürgermeister Klaus Luger und setzt fort: „Wichtig sei daher, dass die lukrierten Mehreinnahmen nicht wieder über hohe Transferbelastungen an Länder und Bund zurückfließen. Denn diese könnten als entsprechende zusätzliche Mittel genutzt werden, um die kommunale Daseinsvorsorge abzusichern!“
Auch der Welser Bürgermeister Dr. Andreas Rabl bezieht klar Position und ergänzt: „Den Gemeinden und Städten wurden in den letzten Jahren immer mehr zusätzliche Aufgaben übertragen, ohne auch die Finanzierung sicherzustellen. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für die Gesundheit und Chancengleichheit besonders dynamisch. Ich erwarte mir daher dieses Mal ein besonders großes Stück vom Kuchen, um dieser Entwicklung gerecht zu werden.“
„Es gibt große Erwartungen an die Städte die zentralen Themen unserer Zeit vor Ort zu lösen: Klimakrise, Pflege, Kinderbetreuung. Wir sind natürlich bereit, hier unseren Beitrag zu leisten. Dazu müssen wir beim Finanzausgleich aber weg vom Motto: den Letzten beißen die Hunde hin zu einem gemeinsam sind wir stark. Einmalunterstützungen oder Anschubfinanzierungen verschieben das Problem nur. Städte brauchen dauerhafte Lösungen, um die Daseinsvorsorge vor Ort sicherzustellen. Dazu müssen wir auch unseren Anteil von neuen Steuern (z.B. CO2-Steuern) bekommen bzw. selbst adäquate Steuern einheben können (z.B. durch eine Reform der Grundsteuer) Und: Nur, wenn wir endlich den Aufgaben-Dschungel entflechten, werden alle Ebenen effizient arbeiten können“, ist Dr.in Sabine Naderer-Jelinek, Bürgermeisterin von Leonding, überzeugt.
„Die Berücksichtigung zentralörtlicher Aufgaben wird seit Jahren unter dem Titel aufgabenorientierter Verteilungsschlüssel immer wieder diskutiert. Während es gelungen ist, mittlerweile spürbare Erleichterungen für strukturschwache Gemeinden zu etablieren, hinken Gemeinden mit zentralörtlichen Aufgaben nach wie vor hinterher“, erklärt der Perger Bürgermeister Anton Froschauer.
Der Oberösterreichische Städtebund trägt daher folgende Forderungen an den Bund heran:
Absicherung der kommunalen Daseinsvorsorge durch Änderungen im Verteilungsschlüssel zugunsten der Städte und Gemeinden
Neuer Schlüssel: 62 % Bund, 20 % Länder, 18 % Städte und Gemeinden
Aktuell werden gemeinschaftliche Steuern wie die Umsatzsteuer oder die Lohnsteuer auf alle drei Gebietskörperschaften im Rahmen der Ertragsanteile aufgeteilt. Dabei erhält der Bund 68 %, die neun Länder 20 % sowie die über 2.000 Gemeinden und Städte 12 % vom gesamten Steuerkuchen. Um auch in Zukunft die Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge abzusichern, bedarf es entsprechender zusätzlicher Mittel für Städte und Gemeinden im nächsten Finanzausgleich. Eine neue Verteilung muss die stark steigenden Ausgaben der Städte bei ihren Basisausgaben als auch bei spezifisch herausfordernden Themen wie beispielsweise im Rahmen der Gesundheits- und Pflegefinanzierung, der Kinderbetreuung und des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs sowie der Bewältigung der Digitalisierung besser berücksichtigen. Ebenso sind die Mindereinnahmen aufgrund der gesetzten steuerpolitischen Maßnahmen des Bundes zu ersetzen. Eine Anpassung der Verteilungsschlüssel im Finanzausgleich zugunsten der Städte und Gemeinden ist daher dringend notwendig.
Verstärkte Aufgabenorientierung
ie aufgabenorientierte Finanzierung ist eine langjährige Forderung von Städten und Gemeinden in den Verhandlungen zum Finanzausgleich. Während finanzschwächeren Gemeinden genügend Instrumente zur Korrektur ihrer reduzierten Finanzausstattung vom Bund und den Ländern vorliegen, werden größere Gemeinden und Städte, welche besondere Lasten aufgrund ihrer Zentralörtlichkeit und überregionalen Funktionen (z.B. öffentlicher Verkehr oder Bereitstellung von Kultur-, Sport- sowie Bildungseinrichtungen) tragen müssen, vom bestehenden System benachteiligt.
Der Oberösterreichische Städtebund bekennt sich zu einem Solidarausgleich gegenüber finanzschwächeren Gemeinden, fordert jedoch gleichzeitig bei der Aufteilung der Mittel, die spezifischen Aufgabenerfüllungen von Gebietskörperschaften miteinzubeziehen und diese zentralörtlichen und überregionalen Aufgaben entsprechend finanziell abzugelten.
Abgeltung der Bezirksverwaltungsagenden
Statutarstädte sind Städte mit eigenem Statut. Der Magistrat übernimmt bei diesen Städten neben den gemeindeeigenen Aufgaben (z.B. Baubehörde) auch noch die Aufgaben der Bezirksverwaltung (z.B. Pass-, Gewerbehörde). Die Agenden der Bezirksverwaltungstätigkeit werden den Statutarstädten nicht abgegolten, womit innerhalb der Kommunen budgetäre Ungleichbehandlungen und Schieflagen entstehen, die dauerhaft nicht ausgeglichen werden können. Laut einer Studie des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ) beträgt der durchschnittliche Netto-Aufwand für Bezirksverwaltungsaufgaben im Jahr 2018 in Oberösterreich 59 Euro pro Kopf; was für Linz eine jährliche Größenordnung von etwa 12 Millionen Euro und für Wels etwa 3,6 Millionen Euro bedeutet.
Der oberösterreichische Städtebund fordert daher eine entsprechende rechtliche Grundlage im FAG für die Abgeltung dieser Mehrbelastung und somit die Beseitigung der Ungleichbehandlung innerhalb des kommunalen Gefüges.
Absicherung des laufenden Betriebs bei Kinderbetreuung und Ganztagesschulen sowie Kompetenzbereinigung in Pflichtschulen
Städte und Gemeinden haben mehr und höhere gesetzliche Zielvorgaben durch den Bund oder die Länder in der Kinderbetreuung und bei Ganztagsschulen zu erfüllen. Erwähnt sei die Personalbeistellung im Rahmen der Freizeitgestaltung bei Ganztagesschulen oder der Gratis-Kindergärten. Um die Finanzierung und den Ausbau in diesen Leistungen sowie die Finanzierung der Nachmittagsbetreuung durch nicht-pädagogisches Personal zu gewährleisten, bedarf es:
- geeigneter laufender Finanzierungsinstrumente
- Maßnahmen gegen Personalmangel
- strukturelle Reformen, wie insbesondere Kompetenzentflechtungen in Ganztagsschulen.
In diesem Zusammenhang wird auch eine Kompetenzbereinigung im Pflichtschulwesen, insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit für Schulärzt*innen, gefordert. Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit der Schulerhaltung stehen, sind von den übergeordneten Gebietskörperschaften zu erfüllen.
Langfristige Fördertöpfe für die Städte zur Umsetzung von Klimaschutz und Klimawandelanpassung
Die Ausgaben der Städte und Gemeinden für Maßnahmen zur Anpassung des Klimawandels werden immer herausfordernder; der öffentliche Verkehr braucht mehr Geld – allein die Stadtregionen bräuchten jährlich 1,25 Milliarden Euro pro Jahr für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs samt Umrüstung auf saubere Fahrzeuge – die steigenden Kosten für Energie durch Lieferengpässe oder durch hohe Teuerungsraten sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Um weitgehend CO2-neutrale Energiequellen zu gewinnen, ist der Forschung und Umsetzung klimafreundlicher Produktionstechniken, insbesondere in der Wasserstofftechnologie, ein hoher Stellenwert einzuräumen, was ebenfalls mit hohen Kosten verbunden ist, die nicht alleine von Städten und Gemeinden getragen werden können.
Um die laufenden und dynamischen Herausforderungen im Klimawandel zu meistern, bedarf es einerseits geeigneter langfristiger Fördertöpfe. Dadurch können notwendige Investitionen in Klimaschutz und Klimawandelanpassung umgesetzt werden. Andererseits braucht es eine gute Zusammenarbeit zwischen allen drei Gebietskörperschaftsebenen, durch intensive Einbindung der kommunalen Ebene und das Operationalisieren der bundesweiten Strategien für Städte und Gemeinden.
Fördertöpfe für Digitalisierungsoffensiven
Der digitale Wandel fordert auch öffentliche Gebietskörperschaften zu Veränderung im politisch-administrativen System. Dies zeugt von neuen Möglichkeiten, Arbeitsprozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Ebenso eröffnen sich für zahlreiche behördliche Erledigungen einfachere und schnellere Zugänge, sowohl für Bürger*innen als auch für die städtischen Verwaltungen.
Digitalisierungsoffensiven tragen gleichzeitig der langjährigen Forderung, die Verwaltung möge Kosten einsparen, Rechnung. Die sukzessive Umstellung auf digitale Verfahren benötigt jedoch Mittel für entsprechende Investitionen. Das bundesweite Kommunale Investitionsprogramm 2020 bzw. 2023 beinhaltete hingegen keine Förderungen für Investitionen die Digitalisierung (mit Ausnahme des Breitbandausbaus) betreffend.
Um dem Digitalisierungswandel auf kommunaler Ebene gerecht zu werden und um diesbezüglich notwendige Investitionen zu ermöglichen, muss eine entsprechende Finanzierung anhand von geeigneten Fördertöpfen sichergestellt werden.
Stärkung der Abgabenautonomie durch Reform der Grundsteuer
Gemeindeeigene Steuern wie die Grundsteuer oder die Kommunalabgabe stellen wesentliche Einnahmequellen für Kommunen, da sie mit finanzpolitischer Gestaltungsfreiheit verbunden sind, dar. Ein wesentlicher Hebel zur Absicherung und Stärkung der kommunalen Abgabenautonomie liegt in der dringend notwendigen Reform der Grundsteuer. Bereits im Zuge der letzten FAG-Verhandlungen wurde dieses Thema einer Arbeitsgruppe zugeordnet, allerdings bisher ohne Ergebnis. Eine zeitnahe Reform ist daher umgehend fällig. Auch im Rahmen der Kommunalabgabe ist über die Bemessungsgrundlage, über Ausnahmetatbestände sowie die Erweiterung des Besteuerungskreises eine Neugestaltung zu finden.
Gesundheitswesen und Pflegefinanzierung gerecht gestalten
Die Verschiebung von Aufgaben führt auch im Gesundheits- und Pflegewesen zu Herausforderungen. Hierbei bedarf es vor allem einer einheitlichen Pflegefinanzierung und Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern, Krankenversicherungsträgern, Bezirksverwaltungsbehörden und Gemeinden.
Vermögensregress
Aktuell ist der Kostenersatz im Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen für die Jahre 2021 bis 2024 geregelt. Darin ist für die Jahre 2021-2024 ein Fixbetrag aus dem Pflegefonds in der Höhe von jeweils 300 Millionen Euro für die Länder vorgesehen.
Dieser Betrag deckt die tatsächlichen Mehrkosten bzw. Mindereinnahmen bei Weitem nicht ab. Ein Einfrieren des Kostenersatzes ist in Hinblick auf die stark steigenden Ausgaben für die stationäre Altenpflege inakzeptabel. Hinzu kommt, dass die demographische Entwicklung der nächsten Jahre zu einem zusätzlichen Kostenanstieg führen wird. Dieser demographisch begründete Anstieg der Ausgaben wäre ohne Abschaffung des Vermögensregresses automatisch auch mit einem Anstieg der Einnahmen verbunden gewesen. Es braucht neben der Anhebung auch mittel- und langfristig eine doppelte Valorisierung, die sowohl die jährlichen Indexsteigerungen als auch den notwendigen Ausbau berücksichtigt.
Pflegefonds
Das Pflegefonds-Gesetz sieht eine Mittelbereitstellung bis zum Jahr 2023 vor. Für das Jahr 2023 sind 455,6 Millionen Euro vorgesehen. Dies entspricht einer Erhöhung von etwa 4,3 % gegenüber dem Jahr 2022. Demgegenüber steht eine Anpassung der Gehaltsansätze von durchschnittlich 8,23 %. Es braucht daher eine unbefristete Mittelbereitstellung im Rahmen des Pflegefonds-Gesetzes, wobei die jährliche Steigerung des Pflegefonds die Anpassung an die Gehaltsansätze berücksichtigen sollte. Zusätzlich sollte ein Dynamisierungsfaktor hinterlegt werden, der die demographische Entwicklung der hochbetagten Personen in Österreich berücksichtigt.
Kinder- und Jugendhilfe
Seitens des Justizministeriums besteht bereits seit über einem Jahr die Forderung, die Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Fremde (umF) gesetzlich zu verankern. Diese Initiative wird ausdrücklich abgelehnt, da beträchtliche Mehrkosten für die Bezirksverwaltungsbehörden und die dahinter stehenden Finanziers (in Oberösterreich die Städte und Gemeinden als regionale Träger sozialer Hilfe) entstehen. Stattdessen sollte der Bund, wenn es tatsächlich eine Rechtsschutz-Lücke für die unbegleiteten minderjährigen Fremden während der Grundversorgung gibt, eine eigene Bundesbehörde schaffen, die die Interessen der umF während der Grundversorgung und während des laufenden Asylverfahrens schützt.
Sozialhilfe für Kriegsflüchtlinge
Die seitens des Bundes erhobene Forderung, Ukraine-Vertriebenen in Österreich Sozialhilfe zu gewähren, wird grundsätzlich abgelehnt. Das Argument, dass die Einbeziehung in die Sozialhilfe automatisch einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt und ein höheres Beschäftigungsausmaß der Kriegsflüchtlinge bedingt, ist falsch. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben ohnehin einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn es tatsächlich stimmt, dass die Regelungen der Grundversorgung zu einschränkend sind und diesbezüglich hemmend wirken, müssen stattdessen diese Rahmenbedingungen verändert werden.
(Informationsunterlage zur Pressekonferenz mit Bürgermeister Klaus Luger, Bürgermeister Dr. Andreas Rabl (Wels), Bürgermeisterin Dr.in Sabine Naderer-Jelinek (Leonding) und Bürgermeister Anton Froschauer (Perg) zum Thema Reformen im österreichischen Finanzausgleich). Weiterer Gesprächspartner: Finanzdirektor Dr. Christian Schmid